Freitag, 15. August 2014

Rückgabe des Kindes aus Russland, das dort widerrechtlich zurückgehalten wird



Das russische Gesetz (Nr. 26 vom 5.05.2014) zur Umsetzung des Kindesentführungsübereinkommens in Russland

Aufgrund des Beitrittes Russlands zum Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationalen Kindesentführung vom 25.10.1980 wurden neue und ggf. neu geregelte Rechtsnormen zur effektiven Umsetzung des Übereinkommens eingeführt.  

Vor allem wurde ein neues Kapitel in die russische Zivilprozessordnung eingeführt, das das Verfahren über die Rückgabe des widerrechtlich in Russland verbrachten oder dort zurückgehaltenen Kindes regelt.  

Für Ermittlungen und Suchmaßnahmen sind nach den neu geregelten Gerichtsvollziehergesetz und Vollstreckungsverfahrensgesetz Russlands die Gerichtsvollzieher sachlich zuständig.

Aleksej Dorochov
Russischer Advokat
Kanzleisitz Neu-Ulm, Deutschland
www.advokat-dorochov.de  

Dienstag, 12. August 2014

Adoption in Russland unter Berücksichtigung deutscher Rechtsprechung



Eine Adoption In Russland erfolgt ausschließlich auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung und sie als Auslandsadoption erfordert in Deutschland eine gerichtliche Anerkennung. Es kommt auch vor, dass Adoptionsentscheidungen eines russischen Gerichtes in Deutschland nicht anerkannt werden.   

Die Nichtanerkennung einer Auslandsadoption in Deutschland führt unter Umständen zu gravierenden Folgen. Zum einen ist die Entscheidung des russischen Gerichtes über die Adoption rechtskräftig und kann praktisch nicht mehr abgeändert oder aufgehoben werden. Zum anderen ist das Kind schon aufgrund dieses Urteiles adoptiert worden und es kann somit zweites Mal (wiederholt) nicht adoptiert werden.

Beispiel:
Ein Ehepaar aus Deutschland will ein Kind in Russland adoptieren. Es beantragt vor einem russischen Gericht eine Adoption. Die Eheleute adoptieren aufgrund der Entscheidung des russischen Gerichtes das Kind, kommen nach Deutschland und beantragen vor einem zuständigen Gericht in Deutschland eine Anerkennung dieser Adoption. Das Gericht lehnt die Anerkennung der Entscheidung des russischen Gerichtes ab.

Was bedeutet die Anerkennung einer ausländischen (russischen) Adoption in Deutschland?
Im Großen und Ganzen überprüft das deutsche Gericht, ob die Entscheidung des russischen Gerichtes mit dem deutschen Recht, insbesondere mit Grundrechten vereinbar ist und es überprüft auch (obwohl es sich paradox anhört!), ob das russische Gericht das russische und u.U. das deutsche Recht richtig angewendet hat.

Angesichts der aktuellen Gesetzeslage in Russland ist es kein Fall ersichtlich, ob russische Gesetze als solche mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechtes (ordre public) offensichtlich unvereinbar sind.

Demzufolge sind nur solche Fälle als Verstoß gegen ordre public denkbar, bei denen die russischen Gesetze fehlerhaft angewendet wurde. 

Im Mittelpunkt aller Probleme bei der Anerkennung einer Auslandsadoption steht § 2 Abs. 1 AdWirkG (das deutsche Adoptionswirkungsgesetz) i.V.m. § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG (das deutsche Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit). Die Anerkennung ist danach ausgeschlossen, wenn sie zu einem Ergebnis führen würde, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts (ordre public) offensichtlich unvereinbar ist.    

Hier sind ein paar Beispiele aus deutscher Rechtsprechung.
1. Die Entscheidung des OLG Köln Senat für Familiensachen, Beschluss vom 17.10.2012, II-4 UF 171/12, 4 UF 171/12
Das deutsche Gericht hat hier die Anerkennung der Adoption aus Russland abgelehnt, weil das russische Gericht das im Adoptionsverfahren sehr wichtige Merkmal „Kindeswohl“ nicht ausreichen geprüft hat. Das russische Gericht hat das wiederum nicht gemacht, weil es keine Kenntnis von der Auslandsadoption hatte. Die Antragsteller haben eine „normale“ inländische Adoption beantragt und ihren Wohnsitz in Deutschland verschwiegen, obwohl sie seit 1994 in Deutschland lebten und auch nach der Adoption mit dem Kind weiter zu leben vorhaben.

Das russische Amtsgericht war hier sachlich nicht zuständig. Für Auslandsadoption in Russland ist ausschließlich das Landgericht zuständig. Die Anforderungen an den Antrag waren nicht erfüllt. Die Antragsteller sollten dem Gericht einige Unterlagen aus Deutschland vorlegen u.a. eine Elterneignungsprüfung. In Ermangelung der Kenntnis über die Auslandsadoption hat sich das Gericht mit den Tatsachen des Kindeswohls in Bezug auf Ausreise nach Deutschland nicht auseinandergesetzt.

Hinweis
Die Nichtberücksichtigung des internationalen Charakters einer Adoption stellt demnach als relevantes Anerkennungshindernis dar.  

Fazit
Hier wurde ein leichterer Weg gewählt, der jedoch zum falschen Ergebnis geführt hat. Der leichtere Weg ist nicht immer der richtige!

2. Die Entscheidung des OLG München 31. Zivilsenat, Beschluss vom 05.12.2011, 31 Wx 83/11
In diesem Fall ist das russische Gericht wieder von einer Inlandsadoption ausgegangen, weil die Antragstellerin den Auslandsbezug verschwiegen hat.  

Das deutsche Gericht hat hier die Anerkennung der russischen Adoption aus zwei wesentlichen Mängel versagt. Zum einen fehlt es an der umfassenden Elterneignungsprüfung einer deutschen Behörde unter Einbeziehung des vorgesehenen Lebensmittelpunktes in Deutschland. Denn eine solche umfassende Prüfung ist zur Erfüllung des Erfordernisses einer Ausrichtung am Kindeswohl unverzichtbar.

Hinweis
Die Elterneignungsprüfung einer zuständigen deutschen Behörde ist eine unerlässliche Voraussetzung für den Adoptionsantrag vor dem russischen Gericht. Da die Antragstellerin die Auslandsadoption verschwiegen hat, wurde diese Anforderung umgegangen. 


Zum anderen hat das deutsche Gericht zu Recht festgestellt, dass es nach russischem Recht nur dann die Auslandsadoption möglich ist, wenn sie zuvor für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten (jetzt 12 Monate) in einer entsprechenden Datenbank registriert und die Bemühungen um Vermittlung zu einer Adoption in Russland erfolglos waren.

Hinweis
Die Umgehung dieses zum Wohl des Kindes dienenden Schutzmechanismus stellt ebenfalls einen Verstoß gegen wesentliche Grundsätze des deutschen Rechts dar.

Fazit
Es ist stets darauf zu achten, dass die Entscheidung des russischen Gerichtes vom deutschen Gericht überprüft wird. Die gewollten oder ungewollten Verschleierungen bestimmten Tatsachen vor dem Gericht in Russland könnten vom Gericht in Deutschland nicht unentdeckt bleiben. 

Zum Schluss ist folgendes anzumerken.
Für eine Anerkennungsfähigkeit der russischen Adoptionsentscheidung in Deutschland ist daher zwingend erforderlich, dass diese sich mit Fragen auseinandergesetzt hat, ob die konkrete Adoption dem Kindeswohl dient, die Elterneignung der Adoptiveltern gegeben ist und eine Eltern-Kind-Beziehung bereits entstanden bzw. ihre Entstehung zu erwarten ist.

Alle drei Elemente werden sowie im deutschen als auch im russischen Adoptionsrecht vorgesehen.

Von dem rechtlichen Ausgangspunkt her scheidet eine Anerkennung einer ausländischen Adoptionsentscheidung auf jeden Fall aus, wenn im ausländischen Adoptionsverfahren eine zureichende Kindeswohlprüfung ersichtlich überhaupt nicht erfolgt ist.

Aleksej Dorochov
Russischer Advokat
Kanzleisitz in Neu-Ulm, Deutschland