Nach Art. 6.21 des russischen Ordnungswidrigkeitsgesetzes ist „die Propaganda“ von nicht-traditionellen (also gleichgeschlechtlichen) sexuellen Beziehungen gegenüber Minderjährigen verboten.
Die Norm verstößt zwar nicht gegen die russische Verfassung, trotzdem hatte die Verfassungsbeschwerde teilweise Erfolg. Die Beschwerdeführer dürfen die gegen sie ergangenen Urteile nochmal von den ordentlichen Gerichten überprüfen lassen; diesmal jedoch unter Berücksichtigung der Meinung des russischen Verfassungsgerichtes.
Das Verfassungsgericht hat vor
allem festgestellt, dass sexuelle Orientierung in Russland frei und verfassungsrechtlich
geschützt ist (freie
Selbstbestimmung und freie Selbstentfaltung) und diese Freiheit gilt auch dann,
wenn die Mehrheit in der Gesellschaft eine nicht-traditionelle sexuelle
Orientierung missbilligt und aus ethischen, religiösen oder anderen sozialen,
historischen und kulturellen Gründen ablehnt.
Ein
Recht auf freie sexuelle Orientierung wird auch durch die arbeits- straf- und
ordnungsrechtlichen Normen ausreichend geprägt, z.B. Diskriminierungsverbot in
Art. 5 des russischen Arbeitsgesetzbuches, besonders schwere Tat nach Art. 63
und eine Straftat wegen Diskriminierung nach Art. 136 des russischen Strafgesetzbuches.
Das Verfassungsgericht hat ausdrücklich betont, dass die an die Kinder gerichteten Informationen über die homosexuellen Beziehungen als solche durch das umstrittene Gesetz nicht verboten sind. Die Kinder könnten nach den konkreten Umständen des Einzelfalles (z.B. Erlaubnis der Eltern, Alter der Kinder usw.) und von Sachverständigen darüber informiert werden.
Nach
Auffassung des Verfassungsgerichtes beinhaltet die umstrittene Norm keinen
Eingriff in die persönliche Freiheit bzw. in die sexuelle Selbstbestimmung
einer Person und sie ist nicht auf ein Verbot oder eine Missbilligung von
nicht-traditionellen sexuellen Beziehungen gerichtet.
In
dem der Entscheidung zugrunde liegende Fall wurden die Beschwerdeführer nach
der oben genannten Rechtsnorm zu einem Ordnungsgeld verurteilt, weil sie mit
den Plakaten „Es existiert keine Schwulen-Propaganda“ und „Schwul kann man
nicht werden, sondern man wird als schwul geboren!“ und „Schwul zu sein und
Schwulen zu lieben – Es ist in Ordnung. Schwulen schlagen und Schwulen töten – Es
ist ein Verbrechen“ demonstriert; der Eine hat vor einer Kinderbibliothek und der
Andere hat auf der Straße demonstriert.
Für
Verfassungsrechtler und Kritiker ist es eine sehr lesenswerte Entscheidung.
Aleksej Dorochov
Russischer Advokat
www.advokat-dorochov.de
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen